ich bin nicht hier (2021)

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Diese Arbeit ist eine Sammlung von Bildern, die von Menschen gemacht wurden, die Spiegel auf eBay Kleinanzeigen verkaufen wollten. Der Reiz dieser Bilder funktioniert für mich auf mehreren Ebenen.

Zum einen sind die Bilder ein interessanter soziologischer Befund zum Thema Sichtbarkeit im Internet. Wo wir normalerweise jede Chance nutzen, um unser Gesicht in eine Kamera zu halten und uns auf Bildern im Netz zu präsentieren, ist hier ein seltene Begeisterung für Anonymität zu beobachten.

Möglicherweise zeigt das auch, dass unsere Angst-Prioritäten im Internet falsch gesetzt sind: Die Sorge, auf Marketplaces von Privatpersonen ‚erkannt‘ zu werden, steht in keinem Verhältnis zu der Bereitwilligkeit, mit der wir den Algorithmen sozialer Medien intimste Details über uns preisgeben.

Und die Angst, auf einem Foto auf eBay Kleinanzeigen peinlich auszusehen, steht in keiner Relation zu den Unmengen kompromittierender Party-Schnappschüsse in unseren Handygalerien, Insta-Stories und Tinderprofilen oder den halbnackten Kinderbildern auf den Facebook-Profilen unserer Eltern.

Letzten Endes ist die Frage natürlich: Warum sind verhalten wir uns nicht überall im Internet wie auf eBay Kleinanzeigen?

Zum anderen sind es Bilder, die vollkommen ohne ästhetischen Anspruch gemacht werden, die kein übergeordnetes Ziel verfolgen und die keine Inhalte vermitteln wollen. Sie werden hergestellt von Leuten, die keinen Geltungsdrang haben, die nicht sichtbar werden wollen, keine Gefühle ausdrücken oder sich verewigen wollen. Alles, was sie wollen, ist einen Spiegel auf eBay Kleinanzeigen verkaufen.

Ganz allgemein fasziniert mich, dass die Mehrheit aller Bilder auf eBay Kleinanzeigen nach konventionellen Maßstäben nicht schön ist. Sie haben keine harmonische Komposition oder Farbzusammensetzung, keine ausgeklügelte Blickführung, legen keinen Wert auf Perspektive, Winkel und Tiefenschärfe. Diese Bilder sind nach gewöhnlichen Kriterien so wenig Kunst, wie es ein menschgemachtes Bild sein kann.

Damit will ich aber auch gar nicht sagen, dass man eine Ausbildung in Fotografie machen sollte, bevor man sich bei eBay Kleinanzeigen anmelden darf. Mein Punkt ist, dass diese Bilder nicht schön sind, weil sie nicht schön sein müssen. Schließlich sollen sie ja nur einen Spiegel auf eBay Kleinanzeigen verkaufen.

Maßstäbe der Ästhetik sind für Produktfotos auf Online-Marketplaces in etwa so egal wie richtige Rechtschreibung in Telegram-Gruppen oder korrekte Satzzeichensetzung in einer YouTube-Kommentarspalte.

Diese Bilder machen so viele einzelne Aspekte sichtbar, die im Grunde genommen jedes Kunstwerk aufweist, die wir an ihm aber gar nicht wahrnehmen, weil wir sie nie in Frage stellen würden.